Saturday, October 5, 2024
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Erdbeben ziehen geschwächte türkische Wirtschaft in Mitleidenschaft



Die Türkei hatte bereits vor den schweren Erdbeben wirtschaftlich mit großen Problemen zu kämpfen.

Ankara in der Türkei – Die Landeswährung hat massiv an Wert verloren, die Inflation liegt seit Monaten bei teils weit über 50 Prozent. Jetzt muss das Land auch noch den Wiederaufbau nach dem verheerenden Erdbeben mit zehntausenden Toten im Südosten des Landes stemmen.

Das Beben der Stärke 7,8 ist die schlimmste Katastrophe des Landes in dessen moderner Geschichte. In elf Provinzen liegen ganze Städte in Trümmern. Vor allem in der Türkei sowie im angrenzenden Syrien starben mindestens 45.000 Menschen. Die Schäden werden auf bis zu 80 Milliarden Euro geschätzt.

Die Beeinträchtigung der gesamten türkischen Volkswirtschaft hält sich allerdings zunächst in Grenzen, denn die von dem Beben betroffene Region ist die wirtschaftlich am wenigsten entwickelte des Landes. Sie trägt nur rund neun Prozent zum türkischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei.

Auch touristische Regionen sind von dem Beben größtenteils verschont geblieben, wie Wolfango Piccoli von der Beratungsfirma Teneo Consultancy betont. Und ausländische Touristen „sind mittlerweile die wichtigste Quelle ausländischer Devisen der Türkei“.

Bestimmte Sektoren sind stärker betroffen, allen voran die Landwirtschaft. Ünay Tamgac, Wirtschaftswissenschaftler an der privaten Universität TOBB ETÜ in Ankara, geht davon aus, dass die Erdbebenregion mehr als 14 Prozent der türkischen Produktion in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei ausmacht. Für den Weltmarkt bedeutend ist etwa der Aprikosenanbau im Südosten der Türkei.

1999 hatte bereits ein verheerendes Erdbeben die Türkei getroffen. Mit einer Stärke von 7,6 war es etwas weniger gewaltig und es starben auch bedeutend weniger Menschen, nämlich 17.000. Aber es traf das industrielle Zentrum des Landes inklusive der Metropole Istanbul. Mahmoud Mohieldin vom Internationalen Währungsfonds vermutet daher, dass die Folgen des Bebens für die türkische Wirtschaft weniger schlimm ausfallen könnten.

Im Jahr 1999 hatte das türkische BIP wegen des Bebens 0,5 bis 1,0 Prozent eingebüßt – wovon sich das Land dank rascher Wiederaufbaumaßnahmen verhältnismäßig schnell erholt habe, erklärt die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Im Folgejahr 2000 legte das BIP demnach wieder um 1,5 Prozent zu.

Auch dieses Mal „könnte die Steigerung der Produktion durch Wiederaufbauaktivitäten die negativen Auswirkungen der Unterbrechung der Wirtschaftstätigkeit weitgehend ausgleichen“, erklärt die Bank. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bereits den Neubau der Wohnungen von Millionen Erdbebenopfern versprochen.

Bleibt die Frage, woher die dafür nötigen Mittel kommen sollen. Maßnahmen zur Stabilisierung der türkischen Lira haben die Staatskasse in den vergangenen Jahren stark belastet. Mit Blick auf die für den 14. Mai angesetzte Präsidentschaftswahl hatte Erdogan zudem bereits vor dem Erdbeben milliardenschwere Ausgabenprogramme versprochen.

„Es ist klar, dass ausländische Devisen benötigt werden“, sagt Baki Demirel, Wirtschaftsprofessor an der Yalova-Universität. Die Staatsverschuldung der Türkei ist relativ niedrig. Die Regierung hat also einen gewissen Spielraum.

Auf der anderen Seite hatten ausländische Investoren die Türkei zuletzt zunehmend gemieden. Ein wesentlicher Faktor dabei ist Erdogans unorthodoxe Geldpolitik: Der Präsident hatte wiederholt massiv Druck auf die Zentralbank ausgeübt, damit diese entgegen der gängigen Lehrmeinung die Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation senkt.

Alles in allem sehen die Ökonomen starken Gegenwind für die türkische Volkswirtschaft in den kommenden Monaten und Jahren. Sie „wird wahrscheinlich stagnieren oder unter ihrer natürlichen Rate wachsen“, erklärt der Analyst Murat Kubilay. pe/ilo

Quelle : Merkur.de
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