Russland und die Ukraine setzen im Krieg auf den Einsatz von Drohnen: vom kleinen Flieger bis zur Hightech-Kampfdrohne. Auch in Entwicklungsländern zeigt sich der Trend – und in den Auftragsbüchern der Industrie.
Oleksander ist ukrainischer Soldat, war vor Kurzem noch an der Front. Nun hält er einen Joystick in der Hand und schwebt am Computerbildschirm über trockene Wiesen und durch offene Scheunentore. Das Ziel: Den Flug mit der Drohne im Kampfgebiet zu lernen.
“Es geht um die Aufklärung feindlicher Positionen und darum, der Artillerie Koordinaten zu liefern”, sagt Oleksander. “Früher hat man mit dem Fernglas die Einschläge beobachtet und korrigiert. Nun ist der Krieg modern. Ohne Drohnen geht es nicht mehr.”
Dutzende Drohnenschulen
Tausende Drohnenpiloten sind seit April in dieser Drohnenschule bei Kiew und in 16 weiteren im Land ausgebildet worden. Die Einrichtungen sind benannt nach dem Programm, das Präsident Wolodymyr Selenskyj schon kurz nach dem russischen Einmarsch ins Leben gerufen hat: “Armee der Drohnen”.
Drohnen spähen den Gegner aus, warnen die eigenen Truppen vor Hinterhalten, helfen der Artillerie oder werfen – oft durch selbst gebaute Vorrichtungen ergänzt – kleine Sprengsätze in die Schützengräben der Gegner.
Die Sprengwirkung mag begrenzt sein, und dennoch: “Die Leute, die in den Gräben sitzen, können keine Routine entwickeln, weil sie immer in der Angst leben, getroffen zu werden”, sagt Militärexperte Gustav Gressel. “Das zermürbt dann langsam die Moral der Truppe, die dort eingesetzt ist.”
Eigene Produktion im Aufbau
Längst aber vertraut die Ukraine nicht mehr nur auf die kleinen Fluggeräte aus dem Warenhausregal, von denen inzwischen viele gespendet oder durch Crowdfunding beschafft werden. So konnten sie schon in einer frühen Kriegsphase die türkische Kampfdrohne Bayraktar TB2 einsetzen. Südlich von Kiew soll eine eigene Produktionsstätte aufgebaut werden, zur Herstellung und Wartung von Bayraktar-Drohnen.
Sie kann eine Waffenlast von 150 Kilogramm tragen und mit verschieden Rüstsätzen ausgestattet werden. So wurde sie zum Kassenschlager der Türkei in mehr als einem Dutzend Ländern – und 2020 zu einer wichtigen Waffe im Kriegsverlauf zwischen Aserbaidschan und Armenien.
Russland kauft im Iran
Natürlich ist auch Russland im Drohnenwettlauf mit dabei, hat aber Nachholbedarf. So kam es, dass Moskau nun massenhaft Drohnen im Iran kauft, allen voran sogenannte “Kamikaze-Drohnen” der Shahed-Reihe, die einen relativ kleinen Sprengkopf tragen und sich auf einprogrammierte Ziele stürzen. Zuletzt setzte die russische Armee die Drohnen für massive Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur und auf ukrainische Städte ein. Nach Medienberichten will Russland nun selbst eine Produktionsstätte für Shahed-Drohnen aufbauen – ein entsprechendes Abkommen sei zwischen Moskau und Teheran geschlossen worden, schreibt die “Washington Post” unter Berufung auf Geheimdienstinformationen.
Israel ist eines der Pionierländer dieser Waffengattung, dort ist die Urform anscheinend erstmals 1980 entwickelt worden. Israel und die USA setzen immer mehr auf Drohnen, die in Schwärmen abgeschossen werden können, andere passen in einen Rucksack. Manche suchen sich ihr Ziel selbstständig, wieder andere werden ferngelenkt.
Der Vorteil: Eine einfache Steuerung
Fast die ganze Bandbreite an Drohnenkategorien lässt sich derzeit im Krieg zwischen der Ukraine und Russland im Einsatz zeigen. “Viele Drohnen sind einfach zu steuern und werden künftig immer autonomer vom Menschen. Es ist klar, dass sie die Kriegsführung der Zukunft mitbestimmen werden”, sagt Yehor Nikolaiev, Leiter der Kiewer Drohnenschule “Armee der Drohnen”.
Im Geschäft der Rüstungskonzerne spielen sie schon heute eine gewichtige Rolle – nach Prognosen von Marktforschern könnte sich der Umsatz bei militärischen Drohnen weltweit bis zum Ende des Jahrzehnts auf etwa 30 Milliarden Dollar verdreifachen.
Hersteller und Zulieferer globalisieren sich
Wie sehr sich die im Vergleich zu Kampfjets billigen Drohnen nun auch in ärmeren Ländern verbreiten, wie neue Lieferländer dabei ihre Geschäfte machen und wie sich Hersteller und Zulieferer globalisieren, dafür ist der verheerende Bürgerkrieg im ostafrikanischen Äthiopien derzeit ein gutes Anschauungsobjekt: Die türkische TB2-Drohne hatte der äthiopischen Regierung mitgeholfen, das Vorrücken der Truppen aus dem aufständischen Norden in Richtung Hauptstadt zu beenden, aber auch zivile Ziele der Gegner zu beschießen.
Dann fand der Westen heraus, dass die türkischen Drohnen wichtige kanadische und österreichische Bauteile in sich tragen – die beiden Länder untersagten den Export, weil der Westen nicht länger im Verdacht stehen wollte, das Blutbad erst zu ermöglichen.
Äthiopiens Militär setzt dennoch weiter Kampfdrohnen ein, wahrscheinlich auch chinesischer und iranischer Bauart. Beschossen wurden in den vergangenen Tagen Städte in der westlichen Region Oromia, wo die Rebellengruppe “Oromo Befreiungsarmee” gegen die Regierung kämpft. Der Gefahr aus der Luft gegen zivile Ziele können die Aufständischen nicht begegnen.
Und so reagierten sie vergangene Woche mit ihren Mitteln brutal auf die High-Tech-Gewalt aus der Luft: Sie töteten nach eigenen Angaben zwei Piloten von Kampfdrohnen in ihrem Hotel nach Addis Abeba.
Source : Tages Schau